Wie Humboldt einmal über sich hinauswuchs

Der Saisonstart im Amateur-Handball ist ja wie der Griff in die Wundertüte. Teams sind auf- oder abgestiegen, haben sich neu formiert oder sind auseinandergefallen. Es gibt Mannschaften, die gar nicht mehr antreten, und es gibt Mannschaften, bei denen man die Bank vor lauter Wechselspielern nicht mehr sieht.

Und jetzt heißt es festhalten, denn zu genau einer solchen Mannschaft ist die SSG Humboldt geworden. Die diesjährige Wundertüte war den Humboldtianern wohlgesonnen, dank hervorragender Beziehungen in die Osthallen-Kreise Berlins konnte Humboldt mehr Neuzugänge verzeichnen als Blaualgen in der Havel schwimmen. 

Zahlreiche Recken der SG FES haben sich glücklicherweise bei Humboldt angesiedelt; für das Trainerteam Sander-Nolden-Sieber ging die halbe Vorbereitung dafür drauf, aus diesem Haufen sympathischer Knalltüten zwei schlagkräftige Teams zu formen, die sich in den beiden Staffeln der Bezirksliga nach oben kämpfen sollten.

Ob das geklappt hat? Das ließ sich beim ersten Saisonspiel der ersten Mannschaft beobachten. Es ging gegen die SG Rotation Prenzlauer Berg III. 

Die Partie begann langsam, schließlich war der Anpfiff um 11:45 Uhr, also für einige quasi mitten in der Nacht. Torhüter Lindenau war dennoch gut aufgelegt, parierte in der dritten Minute den ersten gegnerischen Siebenmeter und entschärfte im weiteren Spielverlauf zusammen mit dem Mittelblock den zumeist ungefährlichen Rückraum von Rotation.

Auf der anderen Seite sah es leider nicht anders aus: Die SSG Humboldt begann das Spiel wie ein zahnloser Tiger und traf lange erstmal gar nichts. Dann wurde man sich zumindest bewusst, dass man ja auch Backenzähne hat, und so erzielte Außenspieler und Neuzugang Christ nach sieben Minuten das erste Tor. 

Die Außenspieler der SSG sollen hier einmal hervorgehoben werden, denn im Laufe des Spiels waren es vor allem sie, die zuverlässig trafen. Am Ende hatten sie ziemlich genau die Hälfte aller Tore der SSG erzielt.

Das Spiel war nach 15 Minuten beim Stand von 5:5 recht ausgeglichen, aber pünktlich um 12 Uhr wachte Humboldt vor zahlreich angereisten Fans (das meint der Autor dieser Zeilen ausnahmsweise mal nicht ironisch, in Anzahl und Lautstärke war man der Heimmannschaft klar überlegen) tatsächlich mal auf. Über den Stand von 7:10 erhöhte die SSG auf 9:13 und  schließlich zum Halbzeitstand von 11:15 – ein komfortabler Vorsprung.  

In der zweiten Hälfte legte Humboldt nochmal einen Backenzahn zu. Neetzow verwandelte zwei Siebenmeter in Folge zum Stand von 12:18, was durchaus bemerkenswert ist, hatte Humboldt in der vergangenen Saison doch mit einer gefühlt einstelligen Strafwurf-Quote zu kämpfen. Gerade Neetzow legte an der Linie jedoch eine Varianz an den Tag, mit der die wenigsten gerechnet hatten, und verwandelte gemeinsam mit Kunert 100 Prozent der Siebenmeter.

Ansonsten bestimmten sehenswerte Individualaktionen die zweite Halbzeit. Hervorzuheben ist hier vor allem Rückraumspieler Bannas, der immer wieder die gegnerische Abwehr aushebelte und sich für den Spitznamen Brechstange Bannas anbot.

Ansonsten war Humboldt jedoch kaum in der Lage, sich durch Auftakthandlungen eine klare spielerische Linie zu erarbeiten. Das mag zum einen daran liegen, dass sich die Abläufe erstmal einruckeln müssen; zum anderen kann es natürlich auch daran gelegen haben, dass häufig mal ein Mitspieler auf der Bank saß. Insgesamt zehn Zeitstrafen verteilte der Schiedsrichter, sechs davon gegen die SSG. 

Zehn Minuten vor dem Schlusspfiff führte die SSG mit 14:25, der Sieg schien sicher und die Mannschaft schaltete gefühlte drei Gänge zurück. Tatsächlich folgte nun die schwächste Phase von Humboldt. Vor allem technische Fehler im Angriff und eine magere Wurfausbeute nutzten die Gastgeber von Rotation nochmal aus, um etwas Ergebniskosmetik zu betreiben. Was hier folgenlos blieb, kann bei einem stärkeren Gegner für ernsthafte Probleme sorgen. Das Spiel endete mit dem Stand von 20:27.

Tags zuvor hatte die zweite Mannschaft der Humboldtianer ebenfalls mit einem Auftaktsieg die ersten zwei Punkte in der Parallelstaffel der Bezirksliga ergattert. Wer handwerklich exzellenten Handball und gut gekühlte Kaltgetränke genießt, sollte kommenden Sonntag in der Wartiner Straße 27 vorbeischauen. Hier tragen beide Mannschaften der SSG Humboldt ab 15 Uhr nacheinander ihr erstes Heimspiel aus.

SSG Humboldt: Lindenau, Röhle (beide Tor); Dessau (5), Christ (3), Bartsch (3), Tautenhahn, Neetzow (4/3), Hessenius (2), Bannas (4), Kunert (1), Nerlich (3), Herrschel, Dähne (2), Lehmann; Nolden, Sander (beide Trainer)

Spielprotokoll

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