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Wie Humboldt einmal 16 Tore kassierte – von einem Spieler

Es gibt wenige Momente im Leben eines Handballspielers, in denen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft so stark ineinandergreifen wie beim Start der Rückrunde. So auch mal wieder für die Spieler der SSG Humboldt in der Saison 2021/22.

Die Vergangenheit: Eine schmerzhafte 25:35-Niederlage gegen SG NARVA Berlin III vor ziemlich genau zwei Monaten zum Start der Saison.

Die Gegenwart: Angespanntheit, Schweiß auf den Händen und im Gesicht, kurz vor Anpfiff.

Die Zukunft: 60 Spielminuten, um es besser zu machen.

Getoppt werden sollte dieser angespannte Moment an diesem Samstag nur noch durch einen anderen, der nicht nur wunderschön, sondern auch ultimativ mannschaftsdienlich sein sollte, aber wir wollen nicht vorgreifen, sondern lieber direkt ins Spiel springen: Das begann wie schon das letzte Duell gegen Pfeffersport mit einer zielstrebigen und kompromisslosen SSG auf dem Feld.

Die Flügelzange der Flachbrettbohrer auf Außen, bestehend aus Bartsch und Dessau, zeigten dem Torhüter von NARVA von der ersten Minute an, wo der Hammer hing, und nagelten ihm gleich zu Beginn ohne Gegenwehr zwei Dinger ins Netz. Die Gastgeber waren scheinbar völlig überrascht ob der Gegenwehr und schafften es nicht, ihren Rhythmus zu finden. In der fünften Minute führte Humboldt mit 1:5.

Dieser zu Beginn herausgespielte Vorsprung sollte sich im Laufe des Spiels als recht nützlich herausstellen, so wie es für Vorsprünge üblich ist; gab er der SSG doch einen Puffer, um nach und nach alle Teile der Mannschaft auf Betriebstemperatur zu bringen.

Namentlich ein Spieler, der vor wenigen Jahren als blendend aussehender Medizinstudent selbst die Herzen aggressivster Gegenspieler weichkochen konnte, hatte eine Leistungskurve, die der vierten Welle glich: Kreisspieler Engelhard. Zunächst noch unauffällig, gar unter seinen Möglichkeiten bleibend, auch wenn er sich schon in der zehnten Minute mit einem Tor ins Spielprotokoll eintrug. Doch seine große Stunde nicht gekommen.

Apropos Wellen: Nicht mit der vierten, sondern mit der zweiten hatte Humboldt in der Verteidigung massive Probleme. Nachdem sich NARVA gefangen hatte, schaffte der Gegner es immer wieder nach ärgerlichen Ballverlusten der SSG oder – noch häufiger – nach einem Tor über die schnelle Mitte Druck aufzubauen. Auch wenn das Rückzugsverhalten nochmal verstärkt im Training der SSG angegangen wurde, außer ein paar vereinzelten Früchten war hier nicht viel zu beobachten.

So schafften es die Gastgeber bald wieder auf Augenhöhe mit der SSG zu kommen, Tor für Tor kämpften sie sich heran, bis in der 26. Minute der Ausgleich zum 12:12 fiel. Zuvor hatte Coach Sander noch mit einer Auszeit versucht, Schlimmeres zu verhindern, und tatsächlich stabilisierte sich die SSG wieder und konnte mit einer knappen Führung beim Stand von 13:15 in die Pause gehen.

Die Gefahrenanalyse in der Halbzeit sollte überschaubar bleiben, neben hausgemachten Problemen war es vor allem ein Spieler von NARVA, namentlich die Nummer 15, die einen Sieg der Humboldtianer am ehesten gefährdete. Die Abwehr der SGG schaffte es nicht, und so viel sei verraten, würde es auch in der zweiten Hälfte nicht schaffen, den Rückraumspieler zu entschärfen, und so sollte er im Laufe des Spiels 16 Tore erzielen, davon fünf Siebenmeter.

Nach zehn Minuten, in denen sich kein klarer Favorit zeigte, schaltete die SSG wie schon beim Spiel gegen Pfeffersport um die 40-Minuten-Marke einen Gang hoch. Die Abwehr stand so solide wie kaum zuvor in dem Spiel, was mit wachsender Eingespieltheit, aber auch einem langsam ermüdenden Gegner zu erklären war. Dazu wurden Angriffe einigermaßen konsequent verwandelt, aus einem 19:21 wurde ein 20:24 und schließlich ein 21:28.

NARVA versucht acht Minuten vor Schluss schließlich das Ruder noch einmal rumzureißen und ging in die offensive Manndeckung. Die große Stunde des Herrn Engelhards war geschlagen, der Kreisspieler nutzte die enormen Lücken auf dem Feld, um sich freizulaufen und zwei Tore in Folge zu erzielen; Tore, die den aufkommenden Wind aus den Segeln von NARVA nahm. Nach dem Spiel auf seine taktische Meisterleistung angesprochen, offenbarte er sein Geheimnis: „Ich bin einfach die ganze Zeit hin und her gelaufen und irgendwann habe ich dann den Ball bekommen.“

Beinahe schicksalshaft mutet es an, dass Engelhard auch das 30. Tor erzielte, ein fast noch magischerer Moment als der Start in die Rückrunde, hat er nun doch die Ehre, sich in einem Getränkemarkt seines Vertrauens nach einem passenden Hartplastikgehäuse inklusive Füllung für durstige Kehlen umschauen.

Auch wenn NARVA keine realistische Chance mehr hatte, das Spiel noch zu drehen, war jedoch zu sehen, dass bei Humboldt die Luft raus war: Der großzügige Vorsprung schmolz wieder ein wenig dahin und so endete das Spiel mit dem Stand von 28:32.

Weiter geht es am kommenden Sonntag um 16 Uhr gegen den TSV Marienfelde in der Wartiner Straße.

SSG Humboldt: Lindenau, Röhle (beide Tor), Körnig (2), Dessau (5), Bartsch (7), Engelhard (4), Neetzow (3/1), Hessenius (1), Albadesh, Kunert (9/2), Nerlich (1)

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